Das geteilte Dorf – Teil 1: Der Zusammenschluss von West- und Ostbüderich vor 60 Jahren

Es ist nun 10 Jahre her, dass am 14. Januar 2014 der 50. Jahrestag des Zusammenschlusses der vormals politisch unabhängigen Gemeinden West- und Ostbüderich gefeiert wurde. Über 500 interessierte Bürgerinnen und Bürger kamen damals in der Kuniberthalle zusammen und lauschten dem Vortrag von Kunibert Mawick. Aufgelockert wurde die damalige Veranstaltung durch die Fragmente eines Filmes über Büderich, den die aufstrebende Gemeinde Büderich eine Zeit nach dem Zusammenschluss in Auftrag gegeben hat. Leider liegt dieser Film nur abschnittsweise und ohne Ton vor. Unklare Urheberrechte verhindern die Veröffentlichung dieser Filmfragmente auf unserer Plattform.

Büderich.digital nimmt das nunmehr 60jährige Jubiläum zum Anlass, den Festvortrag hier noch einmal zu veröffentlichen. Aufgrund des Umfangs haben wir uns entschlossen, das Manuskript in mehreren Teilen zu präsentieren. Es folgt nun der erste Teil:

Einleitung

Zwei ganz unterschiedliche emotionale Aussagen, die das Ergebnis des Ringens um die Zusammenlegung von West- und Ostbüderich in den Jahren 1962, 1963 und 1964 aus verschiedener Sicht kennzeichnen.

Nicht alle waren mit der Zusammenlegung der beiden bislang selbständigen Dörfer einverstanden. Nicht nur Allgemeinwohl sondern auch persönliche und wirtschaftliche Interessen spielten in den damaligen heißen Diskussionen eine große Rolle.

Zur Geschichte Büderichs, Ursprung der Teilung

Der Mönnighof dient unter anderem auf dem „iter vini“, dem Weinweg, als Ettappenstation zur Versorgung aus dem Rheinland nach Kloster Corvey an der Weser. Zu Beginn bewirtschaften die Mönche das Gut vermutlich selber, bis dass es an die Herren von Büderich weiter verlehnt wird.

Dieses zeitweilig für Büderich bestimmende Adelsgeschlecht stellt Gefolgsmannen für Graf Gottfried II. von Arnsberg. Mit diesem zieht Gervasius von Büderich 1217 als Kreuzfahrer ins Heilige Land. Andere gehen mit dem Deutschen Ritterorden ins Baltikum.

1280 sind Hermannus und sein Bruder Ludolphus de Boyderike Inhaber des Hofes Weyestwich, womit wir gleichzeitig die erste urkundliche Erwähnung des Hauses Westrich vor uns haben. Lubbert von Büderich ist von 1294 bis 1321 ein bedeutender Abt im Zisterzienserkloster Marienfeld.

Das Wappen derer von Büderich zeigt in einem einfachen gotischen Schild auf silbernem Untergrund eine schwarze, nach links geneigte Stange eines Hirschgeweihs. Es steht in der Heraldik als Sinnbild für Schnelligkeit, Fruchtbarkeit und Schöpferkraft. Es deutet auf den Kreislauf der Natur mit Entstehen und Vergehen. Heute schmückt das Wappen die Fahnen der Schützenbruderschaft und des Dorfes.

Soviel zur frühen Geschichte Büderichs.

Woher rührt aber nun die Teilung einer weitgehend geschlossenen Ortschaft in zwei selbständige politische Gemeinden? Markus Mawick schreibt in seinem Beitrag im Jubiläumsschützenbuch „Ein Dorf macht blau“, dass sich im 13. oder 14. Jahrhundert von der Hauptlinie derer von Büderich auf dem Mönnighof, dem hiesigen Haupthof des Klosters Corvey, die Linie derer von Büderich genannt Wekebrot abgespalten habe. Sie lassen sich vermutlich auf „Haken Wällken“, einer damals von einer Gräfte umgebenen Burganlage, am nördlichen Ende der Kampgärten nieder. Später ziehen sie auf die Stelle des heutigen Hofes Uhlenberg, früher Wrede und davor Amecke.

Es ist zu vermuten, dass die beiden in Büderich dominierenden Geschlechter Mönnighof und Wekebrot ihre Einflussgebiete in Büderich aufgeteilt und somit die Grundlage für zwei Gemeinden geschaffen haben. 1376 jedenfalls wird in einer Akte im Münsteraner Staatsarchiv „Westboyderike“, also Westbüderich erstmals erwähnt. Das bedeutet aber auch, dass zur gleichen Zeit Ostbüderich bestanden haben muss.

Ausschnitt aus dem Urkataster von Büderich, 1828

Grenzverlauf zwischen West- und Ostbüderich

Die Grenze zwischen den beiden Gemeinden hat auf den ersten Blick einen recht merkwürdigen Verlauf. Ihre skurrile Form soll am Beispiel eines Anwesens an der B 1 aufgezeigt werden. Wohnhaus und Werkstatt liegen in Ostbüderich. Geht der Eigentümer in den Garten, kann er Ost- und Westbüdericher Blumen und Gemüse ziehen und ernten. Verlässt er sein Haus in Richtung Süden, überquert er die dort zu Ostbüderich gehörende Bundesstraße 1, um dann in seinen auf Westbüdericher Gebiet liegenden Obsthof zu gelangen. Unvoreingenommenen Obstessern zu folge, soll man den Früchten ihre Herkunft nicht angeschmeckt haben.

Von der Werler Amtsverwaltung wird der Grenzverlauf zwischen den Gemeinden so beschrieben: Sie verläuft von Süden nach Norden – zunächst in gerader Richtung vom Werler Stadtwald die Haarhöhe hinunter längs des Kuhweges und dann des Minneweges bis zur B 1. Entlang der südlichen Seite der B 1 zieht sich die Grenze zunächst 180 m in westliche Richtung, überquert die B 1, durchschneidet den Diekschen Garten und das ehemalige Gehöft Kolter und führt an der östlichen Seite des ehemaligen Hofes Mawick, später Finkendei, heute Rusche in die Merge und den St.-Annen-Weg bis zur Krusestraße. Nach 80 m in westlicher Richtung biegt sie in die Vitusgasse ab, und zieht sich entlang der Gasse und des Mühlenbaches bis zum Hof Sträter. Hinter der Siedlung Auf dem Teigelbrant trifft sie auf die Budberger Straße und verläuft dort bis zur Bahnstrecke Unna – Soest. Ostbüderich ragt noch mit einem Zipfel von 400 m über die Bahnlinie hinaus. Die Grenze ist ca. 4,5 km lang. Ostbüderich ist im Schnitt 600 m breit.

Der heute scheinbar abenteuerliche Grenzverlauf ist vermutlich durch die damalige Lage der wenigen Häuser und der dazu gehörenden Grundstücke begründet.

Struktur der Gemeinden

Die beschriebene Trennlinie darf man sich nicht wie die der früheren Grenze in Berlin mit Mauer und Schießbefehl vorstellen. Man geht in der Regel  friedlich miteinander um. Manche Bürger kennen noch nicht einmal den genauen Grenzverlauf. Auf Unterschiede legt man jedoch auch Wert.

Wenn die Ostbüdericher im 19. Jahrhundert von ihrer höheren Finanz- und Steuerkraft sprechen, verweisen die Westbüdericher stolz darauf, die flächenmäßig größere Gemeinde zu sein und eine größere Einwohnerzahl zu haben. 1885 leben in Westbüderich 900 und in Ostbüderich 326 Einwohner. Hinzu kommt, dass Kirche, Schulen und zum Ende alle Gasthäuser in Westbüderich liegen.

Westbüderich ist 585 ha groß, Ostbüderich 290 ha. 1960, wenige Jahre vor der Zusammenlegung, wohnen in Westbüderich 987 und in Ostbüderich 555 Menschen. Ostbüderich hat mehr große Höfe, in Westbüderich sind neben den Höfen Handwerk und Handel stärker vertreten. Jede Gemeinde hat einen ehrenamtlichen Bürgermeister und einen Gemeinderat.

Büderich im Jahr 1955.

Für die Verwaltung ist seit 1843 das Amt Werl zuständig. Zum Amte gehören noch die umliegenden Dörfer Budberg, Holtum, Illingen, Mawicke, Niederbergstraße, Oberbergstraße, Scheidingen, Schlückingen, Westönnen, Wickede und Wiehagen. Nicht jedoch die Stadt Werl. Der Sitz ist in der Melsterstraße in Werl, ab dem 28.04.1964 im neuen Rathaus in Wickede. Die Entstehung des Amtes Werl reicht bis ins 14. Jahrhundert in wechselnder Zusammensetzung zurück.

Während der Nazizeit wird eine Verwaltungsgemeinschaft zwischen Stadt und Amt Werl eingeführt, die erst 01.04.1949 zurück genommen wird. Im Zuge der Neugliederung des Landkreises Soest endet am 01.07.1969 die Ära des Amtes Werl. Die früheren Amtsgemeinden werden der Stadt Hamm, der Stadt Werl und den Gemeinden Wickede und Welver zugeschlagen.

Kehren wir zu Büderich zurück.

Bei zwei Gemeinden in einem Dorf ist es unumgänglich, verschiedene Aufgaben gemeinsam lösen zu müssen. Kirche, Post, Geschäfte und die meisten Gaststätten liegen in Westbüderich, werden aber von allen genutzt. Auch bei der Feuerwehr, bei der Schützenbruderschaft und allen anderen Vereinen werden keine Unterschiede gemacht. Es ist gleich, aus welcher Gemeinde der Schützenkönig stammt. Alle jubeln ihm zu. Wichtige kommunale Aufgaben löst man in gemeinsamen Verbänden. Der Schulverband ist für die Schulgebäude und deren Ausstattung zuständig. Er sorgt im 19. und 20. Jahrhundert mit großen Neubauten für angemessenen Schulraum.

Der Kirchspielsverband hat zum Beispiel die Kirchenbaulasten zu verwalten und betreibt den Kommunalfriedhof. Auch in Fragen der Wasserwirtschaft, der Kanalisation und des Straßenbaus ist man zum größten Teil aufeinander angewiesen. 1952 fließt das erste Wasser durch die Leitungen beider Gemeinden.

Bau der Wasserleitung Büderich 1951: In der Kunibertstraße
1951: Viel los beim Bau der Wasserleitung in der Kunibertstraße.

Hiermit endet der erste Teil des Vortrags. In Kürze werden wir hier bei büderich.digital den nächsten Teil veröffentlichen.

Beitrag von Kunibert Mawick + / Redaktion Markus Mawick

Wir laden ausdrücklich zur Diskussion auf büderich.digital ein. Wir begrüßen eine gesunde Streitkultur und stellen deshalb eine Kommentarfunktion zur Verfügung.
Wir bitten aber ausdrücklich, die Nettiquette-Regeln zu beachten. Dazu gehört zum Beispiel unabdingbar der Verzicht auf Beleidigungen, Entwürdigungen und Diskriminierungen von Personen, insbesondere aufgrund ihrer Religion, Herkunft, Nationalität, körperlichen Verfassung, , sexuellen Identität, Alters oder Geschlechts. Nicht erlaubt sind auch Aufforderungen zu Gewalt sowie politischer und religiöser Extremismus, Rassismus und Hasspropaganda.
Jeder Kommentar wird vor Veröffentlichung durch die Moderation geprüft.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert