20. Juni 1948 – Der Tag der Währungsreform vor 75 Jahren

Die Ausgangslage

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war das Gleichgewicht aus Angebot und Nachfrage im Wirtschaftskreislauf nicht mehr gegeben. Durch Devisenausfuhrbeschränkungen konnte kein Geld ins Ausland abfließen, gleichzeitig wurde durch die Ausgabe von Besatzungsgeld die Geldmenge weiter gesteigert. Gleichzeitig konnte das Warenangebot durch Einschränkungen in der landwirtschaftlichen Produktion, Kriegsschäden, Demontage von Produktionsstätten und Zwangsbewirtschaftung durch die Alliierten nicht vergrößert werden – Ganz im Gegenteil. Zudem wurden Waren und deren Vorprodukte in Erwartung einer kommenden Währungsreform in zunehmendem Maße zurückgehalten und gehortet. Tauschhandel auf dem Schwarzen Markt war gang und gebe – die sogenannte „Zigarettenwährung“ hatte sich etabliert.

Schon ein Jahr vor der eigentlichen Währungsreform begannen die Vorbereitungen in den westlichen Besatzungszonen: Landesbanken in den einzelnen Bundesländern und auch eine Zentralbank als Vorläufer der Bundesbank, die „Bank Deutscher Länder“ wurden gegründet. Die erste Serie der Deutschen Mark wurde ab September 1947 in den USA gedruckt – daher auch die Ähnlichkeit zu den Dollarnoten – und in einer streng geheimen Operation „Bird Day“ per Schiff über Bremerhaven nach Deutschland transportiert. Über Frankfurt erfolgte dann die Feinverteilung im gesamten Westdeutschland.

Am 18. Juni 1948 wurde dann die Bevölkerung offiziell über die bevorstehende Währungsreform informiert. Selbstverständlich kursierten bereits seit einiger Zeit viele Gerüchte über das bevorstehende Ereignis.

Und in Büderich?

Elsbeth Mawick erinnert sich als damals Zehnjährige an diesen Tag der Währungsreform in Büderich:

Am Abend des 18. Juni 1948 teilte der oberste Finanzberater der amerikanischen Regierung im Rundfunk der deutschen Bevölkerung offiziell mit: „Die neue Währung heißt Deutsche Mark“.

Am Sonntag, den 20. Juni 1948 war es dann so weit. Ab fünf Uhr morgens öffneten sich die Tresore und das neue Geld wurde zu den Verteilstellen transportiert. Aus den damaligen Gesprächen der Erwachsenen weiß ich, dass in Büderich öffentliche Gebäude, wie Schulen oder Gasthäuser, nicht für die Geldausgabe geeignet erschienen. Sicherheitsgründe spielten dabei die entscheidende Rolle. Darum wurde das Haus meines Vaters, des damaligen Bürgermeisters Franz Mawick an der Reichsstraße, heute Büdericher Bundesstraße 54, zur Ausgabestelle der neuen Währung umfunktioniert. Die Ausgabe erfolgte hier für die beiden politischen Gemeinden Westbüderich und Ostbüderich.

Das Haus Mawick an der damaligen Reichsstraße 1 in den 1920er Jahren.

Für mich als Kind war es spannend, die Vorbereitungen zu erleben. In meinem Elternhaus wurde ein Zimmer im Parterre links bis auf Tisch und Stühle ausgeräumt. Im Flur standen rechts und links an den Wänden Stühle für die Wartenden, die nur einzeln den Warteraum betreten durften.

An diesem und dem vorhergehenden Sonntag hatte Pastor Freytag in der Kirche nach den Messen den Ausgabemodus bekannt gegeben: Alphabetisch waren die Dorfbewohner und Dorfbewohnerinnen den Uhrzeiten zugeordnet, in denen sie ihr neues Geld abholen konnten. So sollte ein nicht überschaubares Gedränge vermieden werden.

Ich erinnere mich noch, wie der Geldwagen am Morgen des 20. Juni 1948 an meinem Elternhaus vorfuhr, natürlich unter strengster polizeilicher Bewachung.

Einer der damals mit der Geldausgabe in Büderich Beauftragten war Karl Schröder, den ich 60 Jahre später noch befragen konnte. Als Mitarbeiter des Finanzamtes war ihm der Umgang mit Geld vertraut. Die Unterhaltung mit ihm war spannend. Er bestätigte mir, dass meine Erinnerungen als kleines Mädchen zutreffen. Weiter erzählte er, wie die mit der Geldausgabe Beauftragten am Vorabend des 20. Juni in die Sparkasse Werl geladen wurden. Jeder der für die Ausgabestellen vorbereiteten Geldkoffer lag dort im Tresor bereit. Nun wurden sie geöffnet, das Geld nachgezählt und die Koffer wieder verschlossen. Die Schlüssel übernahmen die Verantwortlichen, während die Geldkoffer sicher im Tresor der Bank verblieben.

Am nächsten Morgen wurden die Geldkoffer, so auch der für Büderich, von Beamten der Amtsverwaltung Werl zur Ausgabestelle gebracht und im jeweiligen Ausgaberaum mit dem erwähnten Schlüssel geöffnet. Ein Beamter führte eine Einwohnerliste, aus der die Berechtigung zur Entgegennahme der Deutschen Mark hervorging. Hier wurde auch der Empfang quittiert. Karl Schröder zahlte damals 40 Deutsche Mark der neuen Währung gegen 60 Reichsmark der alten Währung an jeden berechtigten Bürger, ob alt oder jung, aus.

Mir imponierte besonders der bewaffnete Polizist Gundlach, der während der ganzen Zeit die Geldausgabe überwachte, denn er hatte seine Pistole schussbereit vor sich liegen.

Weiter berichtete Karl Schröder, dass, wie es oft geht, auch hier viele Bürger meinten, sich nicht an die bekannt gegebenen Ausgabezeiten halten zu müssen. Das führte zeitweise zu einer Warteschlange von der Haustür bis auf die damalige Reichsstraße. Trotzdem war es sicher auch der sorgfältigen Planung zu verdanken, dass der Tag der Währungsreform, der uns am 20. Juni 1948 die Deutsche Mark brachte und so den Aufschwung nach dem Krieg einleitete, in Büderich ruhig und geordnet verlief.

Währungsreform Juni 1948 Umtauscher vor der Sparkasse [in Essen]. Quelle: Wikipedia / Bundesarchiv Bild 1707-48. Die Schlange in Büderich war vielleicht nicht ganz so lang.

Zum Schmunzeln: Meine Tante Anna, ganz sorgfältige Hausfrau, rückte kurz vor Beginn der Aktion zum Erstaunen meines Vaters, mit Wischeimer, Schrubber und Aufnehmer an. Sie wollte noch einmal den Flur putzen. Mein Vater hielt sie zurück mit der Bemerkung, die Mühe sollte sie sich besser sparen und nachher putzen, wenn die Völker das Haus wieder verlassen hätten.

Noch einige Fakten zum Abschluss:

Einen Tag später, am 21.06.1948, wurde die DM offizielles und alleingültiges Zahlungsmittel. Nach der Auszahlung der 40 DM erhielt jeder Bürger zwei Monate später noch einmal 20 DM. Alte Reichsmark-Barvermögen mussten bis zum 26.06.1948 angemeldet und abgegeben werden. Hierfür gab es ein besonderes Formular. Der Umtauschkurs betrug etwa 6,50 DM für 100 RM. Löhne und Gehälter wurden direkt nach der Währungsumstellung eins zu eins in DM fällig.

Mit Einführung der dritten Serie im Jahr 1961 erhielt die DM ihr für viele noch heute erinnnerliches Aussehen. 1990 gab es noch einmal neue Geldscheine, die mit erheblich verbesserten Sicherheitsmerkmalen ausgestattet waren. Die Einführung der Euro-Banknoten zum Jahr 2002 bedeutete dann den endgültigen Abschied von der DM als Zahlungsmittel.

Beitrag von Elsbeth und Markus Mawick

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