Im letzten Jahr erhalte ich Einsicht in ein kleines Päckchen Briefe, mit Schnur und Schleife zusammengehalten. Schnell stellt sich heraus, dass dies Glückwunschkarten zur Erstkommunion meines Schwagers Franz Josef Hoffmann sind. Die Karten befinden sich im Nachlass meiner im Februar 2024 im Alter von 96 Jahren verstorbenen Schwiegermutter Margret Hoffmann und werden von ihren Kindern bei der Haushaltsauflösung gefunden.
Franz Josef geht am 25. April 1965 in Büderich zur ersten heiligen Kommunion. Er ist das 4. von fünf Kinder der Eltern Franz und Margret Hoffmann. Die Familie lebt im Elternhaus der Mutter, Grüner Weg 4 (heute: Am Feldrain), dem über Jahrzehnte letzten Haus Büderichs auf dem Weg nach Werl. Noch im gleichen Sommer bezieht die Familie ihr neues Eigenheim in Werl, der Geburtsstadt des Vaters (1921–2009).


Nun ein Blick in die 54 Glückwunschkarten. Die Karten geben einen Einblick in das Umfeld der Familie und das Sozialgefüge Büderichs. Es sind Karten aus der Verwandtschaft, der Nachbarschaft, von Freunden und Bekannten der Eltern sowie von Handwerkern und Kaufleuten, nicht nur des Dorfes. Die weiteste Karte erreicht Franz Josef aus Coventry in England. Eine Schwester des Vaters lebt dort mit ihrer Familie. Dazu gibt es eine zweite Karte, diese ohne Anschrift und Poststempel. Sie lag mit dem Geschenk in einem separaten Päckchen. Weitere Karten aus der Verwandtschaft kommen aus Werl und dem Sauerland, der Heimat des Großvaters mütterlicherseits.
Bemerkenswert ist eine Karte des Schulkollegiums mit den Unterschriften der Lehrer. Die ein oder andere Lehrperson wird sicher manch einem Leser aus seiner Schulzeit noch in Erinnerung sein. Und wie ist das heute? Meine Enkelinnen Alva und Elin bekamen 2021 bzw. 2023 Glückwunschkarten von ihren Klassenlehrerinnen der Mariengrundschule. Elin, die den Kindergarten in Büderich besucht hat, erhielt ferner eine Karte vom Team des St. Vinzenz Kindergartens, obwohl sie diesen fast drei Jahre zuvor bereits verlassen hatte!

Als Nachbarn sind zunächst die drei weiteren Anwohner des Grünen Weg zu nennen: Frau El. Wilmes, Witwe eines Büdericher Lehrers, der Familie Franz Bartmann sowie Alfons und Elisabeth Stute in ihrem Neubau von 1962 zu nennen. Weitere Nachbarn wohnen südlich an der Friederich-Hüttemann-Straße, einer Siedlung, in der Vertriebene eine neue Heimat fanden, sowie nordwestlich an der Oststraße (heute Schlesienstraße) und Richtung Dorf an der Dorfstraße (heute Krusestraße). Aus dem Bekanntenkreis der Eltern gibt es unter anderem Glückwünsche von sieben Werler Familien, deren Männer ebenso wie der Vater dem Spielmannszug Werl angehören.
Besonders interessant erscheinen mir die Händler, Handwerker und weitere Gewerbetreibende unter den Gratulanten. Die Auflistung nennt die Gratulanten entsprechend den Angaben auf den Karten. Mit meinen in Klammern gesetzten Erläuterungen geben sie auch einen kleinen Einblick in die Geschichte des Dorfes:
Familie Heinrich Berlin (Kirchstraße, heute: Büdericher Kirchstraße; Gärtnerei)
Fam. Hub. Buschulte (Kunibertstraße; Lebensmittelgeschäft)
Familie Drees, Büderich (Oststraße, heute: Schlesienstraße; Bauunternehmung)
Familie Paul Frieg (Dorfstraße, heute: Krusestraße; Metzgerei)
Familie Fritz Haumann (Dorfstraße, heute: Krusestraße; Gastwirtschaft und Poststelle)
Familie Heinr. Hoberg (Kunibertstraße; Bäckerei)
Familie Josef Kampschulte (Dorfstraße, heute: Krusestraße; Frisör)
Familie Klimberg-Rogge (Kunibertstraße; Gastwirtschaft)
Familie Fritz Krismann (Kirchstraße, heute: Büdericher Kirchstraße; Bäckerei und Gastwirtschaft)
Familie Josef Luhmann Poggel, Büderich (Kunibertstraße, Textilgeschäft)
Familie Mawick (Bundesstraße, heute: Büdericher Bundesstraße; Malermeister)
Familie Rudolf Poggel (Dorfstraße, heute Krusestraße / Kunibertstraße; Lebensmittelgeschäft)
Familie Randelhoff-Lüke. (Kunibertstraße; Gastwirtschaft)
Fa. Heinrich Risse (Oststraße, heute: Schlesienstraße; Schreinermeister)
Familie Fritz Tönnies (Bundesstraße (heute: Büdericher Bundesstraße); Baustoff- und Kohlenhandlung)
Familie Adam Wendel (Kunibertstraße; Bäckerei)
Familie Zeppenfeld, Büderich (Dorfstraße, heute: Krusestraße; Beiträge und Annahme von Anzeigen für die Tageszeitung Beobachter an der Haar)
Hierbei handelt es sich nicht um alle damaligen Kleinbetriebe des Dorfes. Und dennoch, diese Anzahl ist heute, selbst bezogen auf das gesamte Dorf, nicht mehr vorstellbar.
Weitere Glück- und Segenswünsche von Händlern kamen aus Werl:
Bünger & Hoffmann, Familie Bünger, 476 Werl (Westf.) (Steinerstraße; Damenbekleidung)
Familie Paul Kirschniak (Steinerstraße, Herrenbekleidung)
Familie Otto Lange (Walburgissstraße, Schuhgeschäft)
Widmen wir uns nun den Briefumschlägen. Da sind zunächst persönlich übergebene oder einem Geschenk beigefügte Briefe, die schlicht mit „Kommunionkind Franz-Josef Hoffmann“ adressiert sind. Und da sind die über die Deutsche Bundespost (ja, die gab es noch; von Privatisierung war noch keine Rede) verschickten Glückwunschkarten, erkennbar durch Briefmarke und Poststempel. Hier lohnt ein Blick auf die Anschriften. Nur zu einem Teil sind diese vollständig mit Angabe von Postleitzahl (4761), Straße und Hausnummer. Eine Zustellung allein mit der Angabe „Kommunionkind Franz-Josef Hoffmann, Büderich bei Werl“ ist heute unvorstellbar. Da kommt die Deutsche Post doch schon im Briefzentrum an ihre Grenzen. Und welcher Briefträger kennt „seinen“ Zustellbezirk so genau, um Kinder einer Adresse zuzuordnen?

Ein weiterer Aspekt gilt der vielfältigen Gestaltung der Glückwunschkarten. Es überwiegen Karten mit religiösen, kindlichen Bildern entsprechend dem Zeitgeist. Andererseits gibt es auch schlichte Karten, allein mit einer Zierschrift oder zusätzlich mit christlichen Symbolen. Die ausgewählten Abbildungen zeigen typische Darstellungen.





Nun zum Kommunionjahrgang: 41 Erstkommunionkinder (23 Mädchen, 18 Jungen) empfangen am Weißen Sonntag 1965 das Sakrament in der Pfarrkirche St. Kunibert von Pfarrer Johannes Kirchner, „der von 1950 bis 1971 segensreich im Kirchspiel Büderich gewirkt hat“ (Alfons Griewel). Zum Kirchspiel gehören neben Büderich noch Budberg, Holtum und Schlückingen. So kommen auch die Kommunionkinder aus diesen vier Dörfern. 26 Kinder aus Büderich und Budberg besuchen die Volksschule in Büderich sowie 10 in Holtum und 5 in Schlückingen, beide Dörfer noch mit eigenen Schulen.

Ein Gruppenfoto mit allen Kommunionkindern gibt es nicht. Es ist damals, anders als heute, nicht üblich, so ein Bild zu erstellen. Bruno Auer, der zum Kommunionjahrgang gehört, stellt ein Klassenfoto der Büdericher Volksschule des Jahrgangs aus dem Jahr 1963 zur Verfügung. Franz Josef steht in der vorderen Reihe rechts- und Bruno in der zweiten Reihe linksaußen. Ein weiteres Foto von Bruno zeigt die ehemaligen Erstkommunionkinder nach dem Dankgottesdienst zur Goldkommunion 2015 in der Pfarrkirche mit Pastor Martin Fornahl (links).


Dieses Jahr, 60 Jahre nach dem Fest, ist ein weiteres Jubiläumsjahr: die Diamantene Kommunion. Eine gemeinsame Feier zum festlichen Anlass ist bisher nicht vorgesehen. Und dennoch werden sich viele der damaligen Kommunionkinder daran erinnern. Auch Franz Josef Hoffmann, der seit vielen Jahren in Köln lebt.
2 Antworten
Sehr schön, vielen Dank für den Rüchblick
Interessanter Bericht, danke für den Einblick.